Kurzgeschichte

Flügelworte

Erschienen 2014 im Anthologienband "Aus meiner Feder GLÜCK", Seite 126 im Elbverlag

 

Mitten im Strom der anderen. Seufzend schauen sie auf ein vorbeifliegendes

 

„h-e-r-z-g-e-w-i-t-t-e-r“. Manchmal fühlen sie sich beliebig.

 

Schwupps. Nicht aufgepasst. Ein Zusammenstoß. Durch die Luft gewirbelt. Fast auseinandergerissen und aufgeprallt. „Wir müssen besser aufpassen“, ermahnen sie sich gegenseitig. Nicht auszudenken, wenn sie falsch landen. Was für ein Unglück das wäre. Sie wissen, es passiert manchmal. Am Anfang war es vorgekommen. Wenn die Verbindung neu ist. Als sie die Strecke noch nicht gut kannten. Mittlerweile ist es beinahe Routine. Aber eben nur beinahe. An manchen Tagen ist soviel los, dass sie es langsamer angehen müssen. Im dichten Flugverkehr sind sie auch Gefahren ausgesetzt.

 

Auch wenn sie manchmal nicht sicher sind, ob ihre Aufgabe wirklich von Bedeutung ist. Von Menschen einfach so hin- und hergeschickt. Bedeutungslos. Sie können sich nicht erklären warum. Aber diesmal ist es anders. Sie müssen gewissenhaft vorgehen. Sie spüren es an der Ungeduld, wenn sie ankommen. Am Tempo, wie sie wieder zurückgeschickt werden. Es gibt einige Hinweise, die ihnen die Bedeutung des momentanen Auftrags klar machen.

 

Plötzlich. Vor ihnen ein dunkler Schwarm. Sie entziffern ihn: „h-o-f-f-n-u-n-g-s-l-o-s“. Es ist klar, die wollen ihnen den Weg absperren. Sie nicht zum Ziel durchlassen. Schon wieder diese gemeine Herde. Letzte Woche hatten sie schon beinahe einen Zusammenstoß mit denen. Allerdings konnten sie da noch links vorbei ausweichen. Und waren so entwischt. Dafür ist es jetzt zu spät.

 

Sie kennen deren Hartnäckigkeit. Und die sind in der Überzahl.

 

Gestern waren sie so einem Witzbold begegnet, der sich als „v-e-r-z-w-e-i-f-l-u-n-g“ vor ihnen aufgebaut hatte. Sie waren ihm schnell auf die Schliche gekommen. Hatten ihm die Maske weggerissen. Übrig blieb ein kleiner „a-n-g-s-t“-Wicht. Mit dem waren sie schnell fertig gewesen.

 

Jetzt aber müssen sie alle Kräfte mobilisieren. Öfter hatten sie für diesen Ernstfall geübt. Eng beieinander bleiben ist eine wichtige Regel. Sich nicht teilen lassen. Dann haben sie die meiste Kraft. Das Gegenüber kommt ihnen übermächtig vor. „Nur nicht entmutigen lassen“, flüsterten sie sich zu, „wenn wir es wirklich wollen, schaffen wir es durchzukommen!“

 

Da. Ein Schatten über ihnen. Vorsichtig schauen sie nach hinten. Doch was für ein Glück. Riesengroß steht die „S-E-H-N-S-U-C-H-T“ hinter ihnen.

 

„h-o-f-f-n-u-n-g-s-l-o-s“ ziehen ihre Köpfe ein. Rückzug. Schnell und ohne weitere Schwierigkeiten. Gerettet.

 

Erleichtert drehen sie sich um: „Buhh, gerade rechtzeitig! Danke!“ Und schon geht’s weiter zum Ziel. Rasch, nur nicht mehr aufhalten lassen.

 

Unter ihnen verändert sich die Landschaft. Sie lassen die schneebedeckten Berge hinter sich. Die Route ist ihnen gut bekannt.  Auch die Gerüche, Geräusche und Sprachen ändern sich mehrmals. Nicht immer verstehen sie die, die an ihnen vorbei kommen.

 

Irgendwann hatten sie herausgefunden, dass sie auf der ganzen Welt verstanden werden. Das finden sie toll. Wer kann das schon von sich sagen.

 

Kurz vor ihrem Ziel wird es wärmer und wärmer.

 

Da, gleich haben sie es geschafft. So wie jeden Tag. Immer erwartet er ihre Ankunft mit Sehnsucht. Egal, wo er sich befindet. Essend mit der Familie. Am Markt. Musizierend. Mit Freunden plaudernd.

 

Schon nimmt er sie in Empfang: „I L-O-V-E Y-O-U!“ Endlich. Er versteckt sie sofort. Keiner darf es bemerken.

 

Und sie wissen es bereits. Seit den letzten Wochen. Sofort werden sie den gleichen Weg zurückgeschickt. Drängend.

 

Und auch da werden sie voll Sehnsucht erwartet.

 

Hoffnungsvoll. Heimlich. So ein Glück.